TrabantForum / Retrokanal - Das Magazin

Vielleicht die schönste MZ aller Zeiten

September 1969:

Ein kleiner, sechsjähriger Steppke kommt in die Vorschule. Zur selben Zeit erscheint im Motorradwerk Zschopau die für viele bis heute schönste MZ aller Zeiten: die ETS 250 Trophy Sport.

September 1981:

Der Steppke wird 18 - endlich Motorradfahren mit mehr als 150 ccm. Der Steppke war ich und meine MZ nur eine runter gerockte ES 175/2, die ich für 380 DDR-Mark von meinem Cousin erwarb und mühsam aufgebaut habe.

Oktober 2006:

Ein Bekannter erzählte mir, er habe noch eine Schlacht-ETS rumliegen, die ich bekommen könne. Da war er wieder, mein Jugendtraum! Für den symbolischen Kaufpreis von einem Euro bekam ich einen Haufen alter Teile, der vor einer geraumen Zeit einmal ein Motorrad war.

Ohne Motor, ohne Kabelbaum... einfach nur ein erbärmliches Häufchen Elend. Doch die wichtigsten ETS-typischen Teile - Tank und Seitendeckel waren vorhanden! Und vor allem: Für die spätere Wiederzulassung ganz wichtig: die original Rahmennummer!

Es sollte ein schneller, unkomplizierter Aufbau mit einfachen Mitteln und begrenztem Ressourceneinsatz werden. Ich ging in mich, und mir kam eine Idee: Ich wollte sie nun so aufbauen und gestalten, wie ich sie mir als junger Kerl erträumte. Mein Gedanke dahinter war, preisgünstigere Teile zu verwenden...

…Dachte ich. Mein guter Freund Peter stand mir - wie so oft schon - mit Rat und Tat zur Seite. Über eine Auktionsplattform im Internet ersteigerte er einen 17,5 PS ES/2 Motor, welcher einfach nur schlimm aussah, aber ich hatte einen Motor. Kurze Zeit nachdem das Äußerliche ungefähr feststand, machte ich mich frisch ans Werk: Entrosten, entfetten, entkeimen, sortieren, begutachten und so weiter.

Die nächsten Schritte folgten sofort: Das Rahmenheck wurde gekürzt, die Sitzbank ebenfalls. Ich wollte unbedingt einen sportlichen Einsitzer, einen Cafe-Racer-Verschnitt!

Eine Autosattlerei in Plauen polsterte die Sitzbank perfekt nach meinen persönlichen Vorstellungen auf, die ansteigende Keilform der Originalbank sollte unbedingt erhalten bleiben. In diesem Fertigungsschritt zog auch das Werkzeugfach von der Heckpartie unter den linken Seitendeckel. Nächster Schritt, nächste Hürde: das Aufarbeiten der alten Bremstrommeln war eine arg zeitintensive Angelegenheit: Und wahrlich, ich hab gewettert wie ein Rohrspatz, aber als sie dann in den frisch eingespeichten Chromfelgen glänzten, waren all die Mühen vergessen.

Bei der Telegabel hatte ich einen echten Glücksgriff. Ich fand eine wenig verschlissene und nur leicht patinierte Gabel über ein Zeitungsinserat. Federbeine, Bremsbeläge, Bowdenzüge - neu oder aufgearbeitet und etliche weitere Teile kamen an ihren Platz. Die Kupplungs- und Bremsarmaturen nahm ich sogar mit auf Montage, um diese nach Feierabend in der Unterkunft zwischen Tisch und Bett noch mit Hilfe von Elsterglanz und Unmengen von Putzlappen wieder neu erstrahlen zu lassen.

ETS Collage

Woher bekomme ich jetzt noch den passenden Lenker?

Blättern im Katalog. Ja, es muss ein M-Lenker sein! Arbeit zieht Arbeit nach sich: der Lenkeinschlag musste verringert werden, damit man sich beim Wenden nicht die Daumen am Tank quetscht und die Graukittel zufrieden sind. Eine Ducati Monster Lampenverkleidung oxidierte noch in meiner Garage vor sich hin und ich befand, dass sie wunderbar ins Gesamtbild passte, wie auch ein neuer 5-Gang IS-Drehzahlmesser. Ein Bikerkollege überzog die Blechteile und Verkleidung mit rotem und schwarzem Lack, sowie einer dicken Schicht „Klarem".

Weitere Teile wurden benötigt, am besten ein ganzer „Organspender"

Für einen Kasten Bier wechselte eine schrottreife TS ihren Besitzer. Von ihr verwendete ich Vergaser und Zylinder. Drehzahlmesser und Zylinderkopf spendete eine 250/1. Aus nun drei Motorengenerationen setzten Peter und ich ein wahres Patchwork-Triebwerk zusammen. Peter bearbeitete dessen Kanäle, während ich mich dem Vergaser-Puzzle widmete. Dieser bekam neue Düsen, einen neuen Schwimmer und neue Dichtungen spendiert. Den stark vernarbten Motor ließ ich mit Schlacke strahlen, da keinerlei Aussicht auf Erfolg durch Polieren mehr gegeben war. Durch diese Methode bekam er ein vollkommen neues und ungewöhnliches Erscheinungsbild. Anschließend überholte eine Plauener Firma, ein Spezialist für DDR Motorrad-, Moped- und Mokick-Zweitakter, das gute Stück. Während die Jungs mit dem Motor zugange waren, verlegte ich den Kabelbaum am Rahmen. Nachdem ich den Antrieb zurück bekam, half mir Peter bei der „Hochzeit", der Verbindung von Motor und Rahmen.

Zukünftig sollte der unverwechselbare Zweitakt-Duft durch einen ETZ 250 Auspuff entweichen. Für einen guten Funken und helles H4-Licht sorgen eine moderne 12V-Lichtmaschine mit kontaktloser Zündung nebst Fließbatterie.

Juni 2009:

Nach knapp drei Jahren und zwei Tritten auf den Kickstarter sprang meine Trophy Sport CR das erste Mal an. In diesem Moment gesellte sich zum typischen MZ-Zweitaktsound das ebenfalls typische Ploppen eines Sektkorkens. Prooost! Die DEKRA Vollabnahme wie auch die Zulassung waren nur noch reine Formsache. Es macht unheimlich viel Spaß, die "Kleine" rot-schwarze über die gewundenen und bergigen Sträßchen meiner vogtländischen Heimat zu "jagen".

Unterm Strich stehen unzählige Arbeitsstunden - nicht nur meine - und 3300 Euro. Okay, für ca. 3500 Euro und viel Glück bekommt man heute eine sehr gut erhaltene und orginale ETS, aber ich glaube, so eine wollte ich nie!

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Jan Hennemann

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Seit März 2022 gibt es den Retrokanal auf YouTube und ich hätte nie gedacht, dass sich der Kanal so schnell entwickelt. Umso mehr freue mich über die vielen informativen Kommentare und die netten Menschen, die diesen Kanal ausmachen. Die Videos werden meistens im Interview / Doku Style erstellt und sind gespickt mit Informationen rund um VEB IFA Erzeugnisse wie zum Beispiel den Trabant, Wartburg, W50 und hoffentlich noch viele weitere Oldtimer aus Ost und auch West.
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