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Autor Thema: Ein Psychotherapeut sagt: Viele Ostdeutsche sind nicht geheilt
das moss

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Mich stört immer ein wenig die Polarität von vielen Aussagen..... entweder jetzt oder eben DDR. Das es u.U. auch realisierbare Mittelwege gegeben hat geht scheinbar immer etwas unter....
Ich muß in der heutigen Zeit kein neoliberaler Kapitalist sein um überleben zu können (ein Großteil der West-Bevölkerung ist es auch nicht, die Unterschiede offenbaren sich wohl hauptsächlich in der Systemkenntnis, in die der Westen über 40 Jahre hineinwachsen konnte während der Osten völlig naiv hineingeplumpst ist, verkennend, das es eine (Werte-)Welt nach und neben dem Konsum geben muß).

Eigentlich möchte jeder so weit als möglich seinen Neigungen nachgehen und dabei in Ruhe gelassen werden....... darin unterscheiden sich die Leute kaum.
Während aber früher die psychische und physische Grundabsicherung als gegeben angenommen werden konnte ist es jetzt eher umgekehrt. Unbegrenzte Möglichkeiten in alle Richtugnen.....
Und das ist für einen großen Teil, der seine Abenteuerlust früher hauptsächlich im aufstöbern und Organisieren von Konsumgütern, Reisen und anderer Freizeitgestaltung ausgelebt hat, ist das u.U. zuviel.
Und in Anbetracht der langzeitigen psychologischen Wirkungen nehme ich mich davon wexplizit nicht aus...... da gehts mir wie dem zweifarbigen Kollegen mit den Selfa-Sitzen .
Die Welt besteht nicht nur aus jungen Leuten, die ungebunden fern der Heimat ihrer Arbeit nachgehen, ihren Hobbys frönen und ihren hauptsächlichen Kampf im Abwägen welches Konzert man von wem besucht und wohin die Urlaubsfahrt mit welcher Freundin gehen soll ausficht......

Und wenn ich mir im ach so schon prosperierenden Ostvorpommern die Wahlwerbung, Aktivität und Agitiation der "braunen Soße" so ansehe bzw. miterlebe kann ich über die von jemandem, der die im Absatz vorher genannten Probleme vor sich herschiebt, so von oben her gesprochen Worte nur den Kopf schütteln.

Was mir Angst macht ist folgendes: da gibt es eine Truppe, die genau in dieses Vakuum der Unfähigkeit, hinterlassen von "Voksparteien" inkl. Klüngel, Großmut und Vetternwirtschaft hineinstößt.

Die auf Ihre Wahlwerbung schreibt, dass auf ihre Intervention hin, eben nicht einer von zwei Arbeitsplätzen des Stadtbauhofes abgebaut wurde, die bei Dorffesten präsent ist, die an die Jugendlichen Pseudo-Perspektiven ausgibt, die für Kinder Veranstaltungen macht (was ich persönlich recht perfide finde) die den Eindruck erweckt das sie sich im Gegensatz zu den anderen kümmert und damit genau an den Punkten Stimmen holt, wo sich andere nach großmäuligen Versprechungen zurückgezogen haben.... aus Unlust oder Unfähigkeit.... letztenendes spielt das keine Rolle.....

Und wenn dann jemand so gescheit schwätzend dahermarschiert kommt, was bitte alles nciht zu passieren hat bin ich der Meinung:

Wenn mann keine Ahnung hat.....

PS: man kann nicht jeden ungebildeten Bauern loschicken, in der weiten Welt Arbeit, Glück und Perpsektive zu finden...... auch wenn das immer wieder als Heilsfindung propagiert wird.....

PS2: @Zoni dies ist nicht übertrieben persönlich gemeint, es steht jedem zu seine Sachen zu händeln wie er will, aber in Bezug auf die allgemeinen Aussagen dient es mir als Diskussionsgrundlage....

[Bearbeitet von das moss (18-08-2009 - 11:03)]

wolfi

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Es freut mich, das sich hier so eine lebhafte Diskussion entwickelt hat!

Und für diejenigen, die den guten Dingen in der DDR noch nachhängen, z. B. den großartigen sportlichen Erfolgen, ein Bericht über ein Mädchen, das inzwischen "dank" der Hormone ein Mann ist. Viele vo Euch müßten sich noch an ihre Medaillen erinnern:
Heidi Krieger heißt heute Andreas

http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,643223,00.html

das moss

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jepp, das System hat die Leute kaputt gemacht.....
Die damit einhergehenden Privilegien waren natürlich völlig unnötig.... der Auftrag und die Mssion allein motovierten alle zum Mitmachen....!

Sowas wie Doping kann natürlich in solch aufgeklärten Zeiten wie heute gar nicht mehr passieren.....Eine Tour de France bspw. wird von hochgradig motivierten und über jeglichen Verdacht erhabenen Amateursportlern absolviert, die wie ihre Kollegen aus anderen Leistungssportarten auch, nichtmal wüßten was die NADA ist....

Einziger Unterscheid: Doping ist nicht mehr unbedingt Staatssache sondern Privatangelegenheit - schließlich lassen sich damit auch deutlich größere Verbraucherkreise erschließen..... ein Schlem wer Arges dabei denkt, das es Anabolika nur auf Rezept geben würde....

Gerade Spiegel-online hat mit seinen kurzweiligen, gern auch pseudoemotional angehauchten, nicht immer gut recherchierten Darstellungen den Begriff Journalistik nicht unbedingt verdient.... schnellebig-aufmerksamkeitsheischend-oberflächlich

PS: Es gibt zwischen Pharma- und Dopingproduzenten eine gemeinsame Weisheit die da lautet: Langfristig hat sich es als gesünder erwiesen Geld einzunehmen und Präperate auszugeben anstatt Präperate einzunehmen und dafür Geld auszugeben......

Deluxe

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@wolfi:
Tja - aber genausowenig wie die DDR nur aus Doping- oder Maueropfern bestand, besteht die heutige BRD nur aus Marktwirtschaftsgewinnern und Wohlstandsbäuchen...

Ich sehe es ähnlich wie Mossi:
Wer heute auch nur ein einziges gutes Haar am Vergangenen findet, wird sofort als Ewiggestriger abgestempelt - ebenso wie der, der am heutigen System etwas kritisiert.

Keiner, der das HEUTE kritisiert, will die ALTE DDR zurück. Das wird uns aber komischerweise immer unterstellt. Von denjenigen, die sich als Berufsdemokraten fühlen...ausgerechnet...die die Meinungsfreiheit als große westliche Errungenschaft propagieren...die sie ja auch ist. Aber eben nicht nur...

[Bearbeitet von Deluxe (18-08-2009 - 14:35)]

Darkfish

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und ja, es gibt Dopingfälle bei Kindern und Jugendlichen hier und jetzt. Das ist außer kriminell auch einfach nur traurig. Oft sind es die Eltern ( Auslöser) mit übersteigertem Geltungszwang, welche sich über die Leistung ihrer Kinder identifizieren.

Ich zähle mich zu jenen , die hier wie da "gute Fäden" finden. Ich glaube, alle die ihre eigenen Gedanken haben und Meiniungen äußern sehen das so.

das moss

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so siehts aus, eigene Gedanken, eigenen Rückschlüsse, eigene (humanistische) Werte..... Sachen die heutzutage weder laut propagiert werden, noch (leider häufig) wirklich auftreten.....
kat

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Wegen DDR-Pleite:
Nach meiner Kenntnis hat die DDR lange Jahre über ihre Verhältnisse gelebt. Das habe ich jedenfalls Aussagen von Mittag, Schürer, Schalck-G. u.a. DDR-Politikern nach der Wende entnommen. Vielleicht enthält ja auch das Buch von dem Staatsbankchef dazu etwas, das habe ich aber noch nicht gelesen.

Das die Kfz-Industrie in weiten Teilen Schrott war, weil nicht konkurrenzfähig (von Ausnahmen wie Multicar, Motorenwerk Nordhausen, VW-Motorenwerk Chemnitz etc. mal abgesehen), braucht man wohl nicht weiter diskutieren (siehe auch "Plaste, Blech und Planwirtschaft", ein Kapitel heißt bezeichnenderweise "Der Tragodie letzer Teil")

Auch im Chemie-Bereich war der Totalabriß und Neubau sicher die beste Lösung (siehe neue Raffinerie Leuna).

Außerdem was soll's: Wir sind dem Westen halt immer einen Schritt voraus: ORWO war Mitte der 90er Jahre pleite, AGFA hat dafür etwas länger gebraucht ...

Die Aussage "nur 44% Rückstand der DDR im BIP" würde ich mir erst mal genauer ansehen. Wer weiß, was da wie bilanziert wurde.

DDR-Artikel waren meist nur über Dumpingpreise im Westen konkurrenzfähig, daher würde ich so etwas nicht als positives Beispiel anführen.

Was ich mir schon eher vorstellen kann, ist die bewußte Zerschlagung von vielleicht profitablen Betrieben wie Deutrans, die eine zu große Konkurrenz für die westdt. Mittelständler gewesen wäre (aber das ist nur eine Vermutung).

Zumindestens in der Landwirtschaft scheint der Osten ja konkurrenzfähig zu sein.

Einige habe wohl geglaubt, daß die D-Mark kommt und sich sonst nichts ändert. Gegen Unwissen helfen aber auch keine Eierwürfe auf Helmut Kohl ...

Ich finde die permanente Unsicherheit als Arbeitnehmer auch nicht angenehm. Aber im Westen lebt man damit schon seit Generationen. Und wer damit partout nicht leben kann oder will, der muß halt die Beamtenlaufbahn einschlagen.

Deluxe

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quote:
Nach meiner Kenntnis hat die DDR lange Jahre über ihre Verhältnisse gelebt.

Stimmt.
Und wenn das der Grund für einen Staatsbankrott mit politischer Wende ist, dann freue ich mich auf die demnächst zu erwartende Zahlungsunfähigkeit der BRD...

Oder sind 500.000.000.000 €uro Bankbürgschaften und zusätzlich seit längerem vorhandene 2.000.000.000.000 €uro Staatsverschuldung etwa nicht "über die Verhältnisse gelebt"????

Ändert sich etwas daran, nur weil wir eine frei konvertrierbare Währung haben, die DDR aber nicht?

kat

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Ja, das wird spannend. Vielleicht übernimmt uns dann Österreich?
Obelix

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@kat
http://www.memo.uni-bremen.de/docs/m4308.pdf
und auch
http://www.memo.uni-bremen.de/docs/m2107.pdf
Deluxe

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Hochinteressantes Papier...

quote:
Die Reaktion darauf findet gegenwärtig in Form der stark angeheizten Kampagne gegen das
„Vergessen der Schrecken der DDR-Diktatur“ seinen Ausdruck, in der nunmehr die politischrechtlich-
moralischen Defizite der DDR-Zeit einer täglichen Kritik unterzogen werden. Unentwegt
wird lauthals über den vormaligen Unrechtsstaat berichtet, ohne zu erklären, welcher Teil des
damaligen Unrechts auf den „Kalten Krieg“ und die harte Systemkonfrontation zu verbuchen war.

Und ich dachte schon manchmal, mir wäre das allein aufgefallen...aber es scheinen auch andere zu bemerken.

Auch sehr interessanter Ansatz:

quote:
Nach Berechnungen des westdeutschen Prof. Peters (1990) entstanden durch die unterlassenen
„Reparationsausgleichspflichten West an Ost“ berechtigte Forderungen der DDR an die BRD in
Höhe von 727,1 Mrd. DM in Hochrechnug bis 1990.
Darkfish

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ja, bin jetzt auch durch
Es ist wirklich geistesöffnend, mal so seine eigenen Eindrücke mit diesen Arbeiten abzustimmen. Mir sind ebenfalls viele Dinge bewusster geworden, die man wohl damals schon geahnt hat, jedoch die Zusammenhänge eher nur im Zwielicht blieben. Es ist allerdings ähnlich wie mit nem Autovergleich. Der, der den Test in Auftrag gibt, bekommt das was er haben will...sonst würde er ja nicht zahlen.
das moss

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interesant auch die geschlußfolgerten Tendenzen, die scheinbar das bestätigen, was man instinktiv seit Jahren wahrnimmt:

Die Verlangsamung des Wachstums der NBL kommt längst und auch gegenwärtig in rückläufigen
Investitionen zum Ausdruck, die nach 2005 (!) immer noch nicht offiziell statistisch
bekanntgegeben wurden. Damit wird die bis 2005 erkennbare rückläufige Investitionsentwicklung
in den NBL zunächst nicht weiter sichtbar.
Nach volkswirtschaftlichen Einsichten dürfte sich bei einem rückläufigen oder zurückbleibendem
Investitionsvolumen in Ostdeutschland kein weiterer Angleichungsprozess einstellen.

Ich bin zwar nicht in der Lage detailliert den Ausführungen eines Herrn Heske zu folgen, letztendlich scheint aber hier jemand gezielt auf einer Preisbasis Berechnungen angestellt zu haben....

limokombi

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Das Papier ist wirklich sehr interessant. Ich bin beileibe kein Ökonom und kann weder die Angaben noch die Zahlen prüfen. Ich bin kein "DDR-Hasser" und habe oft genug hier betont, daß ich mit den gesellschaftlichen Realitäten der BRD arge "Probleme" habe. Eines begreife ich aber als Laie eben nicht. Nehmen wir einmal an, daß die DDR-Ökonomie inkl. der Staatsfinanzen 1989 gar nicht mal so schlecht war, warum sah es dann in der DDR so aus wie es nun eben mal aussah? Wenn auch die Investitionsquote gar nicht so schlecht gewesen war, warum hat man dies nicht "gesehen"? Warum war das Straßen- und Schienensystem geradezu flächendeckend marode, ebenso die Strom-, Wasser- und Gasinfrastruktur? Warum wurden die alten Häuser nicht saniert, keine Autobahnen gebaut und der Maschinenpark nicht ausreichend erneuert...

@deluxe

"Und wenn das der Grund für einen Staatsbankrott mit politischer Wende ist, dann freue ich mich auf die demnächst zu erwartende Zahlungsunfähigkeit der BRD..."

Ich glaube nicht, daß Du auf dieses Ereignis noch lange warten mußt. Ich bin mir ziemlich sicher, das allen Staatsgarantien und -versicherungen der Bundesregierung zum Trotz, dieses System früher oder später in die Brüche gehen wird. Wir sollten vielleicht schon mal darüber reden, mit was für einem System wir es danach versuchen...

@das moss

"eigene Gedanken, eigenen Rückschlüsse, eigene (humanistische) Werte"

Wäre doch eine gute Grundlage für ein "neues Deutschland".

das moss

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Vermutlich ist ein Großteil der "allgemeinen" Investitionsquote einfach in Schlüsselindustrien gezielt eingeflossen ohne eben sichtbare Auswirkungen zu haben. Inwieweit diese quote auch ins Sozialsystem hineingewirkt hat, wäre auch interessant.....
Obelix

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@limokombi
Man kann Äpfel und Birnen nicht 1:1 miteinander vergleichen.
Häuser: Im Westen wurden und werden Häuser nur deshalb saniert, weil die Hausbesitzer damit die Mieten steigern können. Wo das nicht möglich ist, ließ man auch dort verlustabschreibend (Finanzamt!) verfallen.
In der DDR hatten nunmal soziale Belange Priorität. Und da ist es billiger und schneller, in industrieller Fertigbauweise komplett neue Städte (Halle-"Neustadt", Eisenhüttenstadt etc) zu errichten.
Das Schienennetz war keineswegs marode. Die DDR verfügte über das dichteste Schienennetz Europas.
Das dort nicht flächendeckend geputzt und reparieret werden konnte wie auf den paar Bahn-km der Bundesbahn ist auch natürlich.
Zumasl 20 Jahre später bei der Bahn AG in Berlin z.B. keine S-Bahnen mehr fahren.
Die Nicht-Erneuerung der Industrie ist auch eine Legende.
Zahlreiche "Investoren" haben mit Hilfe der Treuhand die VEB geradezu geplündert, um ihre "Heimatstandorte" zu sanieren, nicht um zu verschrotten.
Vor allem die Exportgüter- und Maschinenbaubetriebe waren heiß begehrt.
Deluxe

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Ganz so sonig war's sicher nciht, wie Obelix hier beschreibt.

Aber man darf nicht vergessen, daß vorrangig die Interessen des "großen Bruders" Sowjetunion - und damit die Belange des Kalten Krieges befriedigt wurden und werden mußten.

Die DDR war ein besetztes Land.

Milliarden wurden in die Grenze, die NVA, den Geheimdienst investiert.
Weitere Milliarden verschlang ein (zugegebenermaßen) überdimensioniertes Subventionsprogramm, das nur aus Prestigegründen bis zuletzt aufrecht erhalten wurde und dessen Vorzüge die Menschen irgendwann gar nicht mehr wahrnahmen, weil es zur Selbstverständlichkeit wurde.

Milliarden verschlang der einzige Energieträger des Landes - die Braunkohle. Milliarden der Uranabbau für die UdSSR und alles, was damit zusammenhing. Allein die Wismut und all ihre kleinen und großen Anhängsel, damit verbundene Privilegien u.v.m. - bezahlte die DDR allein. Trotz SDAG.

Das dichteste Schienennetz hatte die DDR, aber keineswegs ein besonders gepflegtes...Individualverkehr und Transportkapazität stimmten nicht mit dem Bedarf überein.

Milliarden verschlangen Industrieprogramme, die uns unabhängig machen sollten, aber keineswegs zu technologischer Führung reichten - Stichwort Mikroelektronik.

Und schließlich ein aufgebauschter Wirtschaftsbürokratismus, dem es letztlich an Flexibilität fehlte. Verbunden mit der Ideologisierung der Politik und der Ökonomie ("Der Plan ist Gesetz") und dem Allmachts- und Allwissenheitsanspruch einer Partei, die immer Recht hatte, führte das zum Konsumstau.

Und dieser Konsumstaau war der Sargnagel Nummer 1 - noch vor der Reisefreiheit und den bröckelnden Fassaden, noch vor den Schlaglöchern und der Umweltverschmutzung.

Letztere rührte übrigens u.a. daher, daß die Sowjetische Besatzungsmacht nach 1945 bereits vorhandene (!!!) Filter- und Reinigungsanlagen aus den Chemie- und Braunkohlestandorten als Reparationsleistung demontierte, die nie wieder ersetzt werden konnten...
Nur mal als Beispiel...

Bananen und Videorecorder - das ist zwar sehr verkürzt und irgendwie auch verständlich, aber dennoch auch trauriger Teil der Wahrheit um den politischen Winter 1989/90.

[Bearbeitet von Deluxe (19-08-2009 - 16:04)]

standard

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Es ist auch meine Meinung, daß vor allem Militär, Grenzregime und Stasi mit ihren imensen Kosten das Land ausgeblutet haben - weit mehr, als Sozialleistungen oder vielleicht das Wohnungsbauprogramm. Was uns die "Westgruppe der sowjet. Streitkräfte" mit (soweit ich mich erinnere) offiziell 400tausend Mann unterm Strich über all die Jahrzehnte gekostet hat, möchte ich gar nicht wissen...

Thema "es wurde nichts investiert" / "bröckelnde Fassaden, "marode Straßen"... :

gab es alles bis zum Erbrechen, keine Frage!
Aber: es gibt all das heute hierzulande (besonders in Ost, aber sehr wohl auch in West!) auch noch bzw. wieder und tendenziell sogar zunehmend.
Ist das alles noch Erbe der maroden DDR, oder liegt das evtl. Weise doch schon wieder an etwas anderem...

[Bearbeitet von standard (19-08-2009 - 21:57)]

limokombi

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http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/4791/_die_ostddeutschen_sind_nicht_geheilt.html

Nun wurde auf den Artikel noch einmal von anderer Seite "geantwortet. Auch hier sind einige Dinge wohl kaum von der Hand zu weisen...

[Bearbeitet von limokombi (24-08-2009 - 12:15)]

wolfi

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Sehr "interessante "Literatur wird hier zitiert. Jedem Wissenschaftler kräuseln sich schon die Fußnägel, wenn er "Uni Bremen" liest.
Ich habe diese Links verfolgt, das ist eine Gruppe "Alternative Wirtschaftspolitik" etc., also man merkt sehr schnell, aus welcher Ecke diese Infos kommen, Gerhard Heske war ja wohl ein DDR Hardliner, vielleicht ein Genosse von Erich Hanke, der einerseits mit Honecker im Gefängnis saß.

Dessen Buch "Ins nächste Jahrhundert" in der Ausgabe von 1987 ist wirklich lesenswert:

Es geht schon lange nicht mehr um die Frage, ob der Kommunismus siegen kann, sondern darum, wann er siegen wird. (Seite 303)

- Das Erreichen des "wahren Kommunismus" wird so für 2020 prognostiziert -

So ähnlich wie bei Hanke sind vermutlich auch die Zahlen der Herren Heske, Mai usw. zu interpretieren...

PS: Zur Klarstellung: Das Zitat ist aus dem genannten Buch von E Hanke, nicht E Honecker.

Die Argumente, die dort und übrigens in diesem Thread oberhalb kommen, sind genau diejenigen, die mir Mitte der 80er Jahre von den DKP-Genossen immer gebracht wurden, als sie mir beweisen wollten, dass die DDR erstens das bessere Deutschland sei und zweitens die BRD bald überholen würde...

Ich habe mich immer gefragt: Glauben die wirklich, was sie einem da erzählen - diese Frage ist bis heute nicht beantwortet.

[Bearbeitet von wolfi (24-08-2009 - 17:57)]

wolfi

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Zum Thema Wohnungsbau (in allen sozialistischen ändern war es wohl ähnlich) - was ich nie verstanden habe:

Warum hat man denn die Leute systematisch in diese Plattenbauten getrieben ?

Ich sehe sie hier in Ungarn genausso wie damals in Erfurt, als ich Mitte der 90er Jahre zu einer Schulungsveranstaltung fuhr (ich war der Referent) und abends bei einem Spaziergang fassungslos vor der großenteils total verrotteten Altstadt stand. Einige Häuser und die berühmte bebaute Brücke waren sehr schön gemacht, aber vieles war in katastropalem Zustand, als ob man 50 Jahre nix gemacht hätte.

Warum hat man systematisch diese schönen alten Häuser kaputtgehen lassen ? Natürlich ist der Erhalt mittelalterlicher Häuser aufwendiger als ein billiger Neubau, ich habe das selbst ninter mir, aber trotzdem...

Ein Kursteilnehmer hat mir sogar erzählt, es habe Überlegungen gegeben, die ganze Altstadt platt zu machen.

Waren das nun wirtschaftliche oder doch ideologische Gründe ?

Weiß irgendjemand hier eine Anrwort ?

PS: Ich will ja die DDR nicht mit Ceaucescus Größenwahn vergleichen.

Obelix

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Oh man...du weeßt ja garnüschd über de DDR.
Es gab in der DDR eine Menge Immobilien, welche offiziell Eigentum Westdeutscher waren.
Meist stammte dieses Eigentum aus der Zeit vor 1949.
Die DDR bot jedem betroffenen Bundesbürger an, diese Häuser unter Unkostenbeteiligung zu erhalten.
Da allerdings keine Aussicht auf marktwirtschaftliche "Verwertung" bestand, lehnten die meisten Bundesbürger prompt ab.
Somit durfte sich die DDR auch(!) aus rechtlichen Gründen nicht an diesen Häusern zu schaffen machen.
Es waren nicht wenige "Alteigentümer", wie die "Rückgabe vor Entschädigung"-Forderungen 1990 bewiesen.
Warum hat man denn die Leute systematisch in diese Plattenbauten getrieben ?
Weil sie ganz systematisch froh waren, eine solche Wohnung zu bekommen?
Oder weil du vielleicht derartig geBILDet bist, das du "DDR" aus Prinzip mit "Zwang" verbindest?
das moss

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Die Sache ist (wie immer) differenziert zu betrachten......

Was waren Häuser zu DDR-Zeiten? Genau, überwigend Volkseigentum.

Und warum Plattenbau?

Weil eine Volkswirtschaft die "dem Volk gehört" als oberste Priorität die Notwendigkeit hat, Wohnungen bereitzustellen.

Was ist die ökonomischste Art Wohraum zu generieren? Genau, durchrationalisierte Plattenbauweise. (Auch im Westen st man scheinbar mal auf die Idee gekommen, hier zeigte sich aber die "Ghettoisierung" durch die bestehenden Klassenunterschiede samt den daraus resultierenden sozialen Brennpunkten. Und eine nachträgliche Betrachtung zeigt, das sozialen Verhältnise in entsprechenden Wohngebieten meist immer genau da angekommen sind, wo sie früher zwar gern vermutet wurden, aber bedingt duch den "Status" der entsprechenden Wohnungen (hell, trocken, Fernwärme, "Platz" etc.) nie aufkommen konnten.
Ich kann mich noch an Hausgemeinschaftsfeste erinnern..... die so in der häufigen Zeit des "gelebten Individualismus" undenkbar wären.......

Und das mit den Altstädten war ein zweischneidiges Schwert: Die alten, den Krieg überlebten, sanierungsbedürftigen Altbauten leißen sich mit den subventionierten Mieten nicht ansatzweise betreiben, geschweige denn "sanieren".
Letztendlich wude von der Sustanz gelebt....
Und wenn ich mir solcherlei "Finessen" wie bspw. Kfw-Kredit, Kostenabschreibung durch steuermindernde Maßnahmen, permanente Anpassung des Mietspiegels + etliche andere "Subventionierungen" so ansehe, frage ich mich scheinbar nicht unberechtigt, ob und wie es sich zu Nachwendezeiten ohne entsprechende Rahmenbedingungen abgespielt hätte.....

Es läßt sich vieles mit ein wenig Nachdenken erschließen..... und genau die Art der fragestellung sagt schon viel über die innere Haltung aus...

kat

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Es gab auch DDR-Bürger, denen Mietshäuser (Altbau) gehörten. Und auch hier reichten die Mieten mit Ach und Krach zum Erhalt (wenn überhaupt). Ein weiteres großes Problem waren die fehlenden Baumaterialien und Handwerker.

Durch die fehlende Instandhaltung und Modernisierung (Ofenheizung, undichte (einfache) Fenster, teilw. Außentoilette) waren die Leute froh, wenn sie in die Plattenbauten ziehen konnten.

Allerdings gab es auch einen Trend zum Eigenheim, der vor allem auf dem Lande sogar gefördert wurde.

Last but not least, auch der Film "Der Baulöwe" gibt einige Hintergrundinfos.

PS: Ein Großteil der Plattenbauten gehörte Wohnungsbaugenossenschaften, die sie teilweise noch heute besitzen/bewirtschaften. Die andere Hälfte war KWV (Kommunale Wohnungsverwaltung).

[Bearbeitet von kat (24-08-2009 - 21:33)]

wolfi

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Laut Obelix sind also die Wessis schuld, laut mossi sind die Leute gerne in die Gemeinschaft der Plattenbauten gezogen, dann ist ja alles klar...

Ich komme mir vor wie auf einer Kaderschulung der Dkp, das waren auch so schlaue Leute, na ja, jetzt sind sie bei der Linken...

PS: Bild habe ich noch nie gelesen, aber eine eigene Meinung habe ich...

Ach ja, eigentlich bezog sich meine Frage ja auf die "schöne Altstadt von Erfurt" mit ihren historisch wertvollen Gebäuden, nicht auf Altbauten allgemein.

[Bearbeitet von wolfi (24-08-2009 - 21:55)]

trabi

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eine eigene meinung ist was tolles. dafür.

jahrelange beratungsresistenz sind hingegen für die persönliche entwicklung eher hinderlich.

hätte ich alle meine so gern vor mit hergeschwenkten vorurteile nicht einfach mal überprüft, würde ich jetzt wohl kaum ein angenehmes leben in nordbaden genießen... mit der erkenntniss: wurscht wo man wohnt, nette leute gibt es überall.

der gegenpol ist dann wohl: egal was mir 20 oder 15 leute erzählen, die es erlebt haben, ich hab ne frau in ungarn und wohne seit 15?jahren (mehr sicher nicht ) dort. deswegen weiß ichs besser...

MEINE meinung

[Bearbeitet von trabi (24-08-2009 - 22:01)]

das moss

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Danke für die Steilvorlage:

"Ich komme mir vor wie auf einer Kaderschulung der Dkp,"

Und genau jetzt ist der Punkt erreicht: Es kann nicht sein was nicht sein darf.

Genau das ist der Punkt, an dem die meisten scheinbar intelektuell auf Grund laufen.

Und wenn ich ehrlich bin: es ist mur Wurst.

Warum? Weil sich spätestens mit diesem Satz der Teilnehmer Wolfi in soweit als nicht mehr tragbarer Diskussionspartner erledigt hat, weil er nicht in der Lage ist, seinen Standpunkt ins Verhältnis zu anderen zu setzen..... von der Fähigkeit den eigenen ggf. mal überdenken zu wollen ganz abgesehen.....

Unbestätigten Gerüchten zufolge wird innerlich sowieso gerade über die unbelehrbar-ostalgischen, sich jeglicher Wirklichkeit verschließenden, verborten Altkommunisten abgelästert......

Wie kann es auch sein, das die DKP (die tatsächlich am ehesten mit einer theoretisch-kommunistischen Hardliner-Theorie-Insel zu vergleichen ist) eigentlich keine Rolle gespielt hat sondern eher eine Art politisches Aushängeschild zu verstehen war? Und wenigstens im Bezug aus Sozialismus und Kommunismus war man in der DDR wohl schon soweit von der Realität eingeholt worden, das Letztes wohl noch etwas zu Verwirklichung brauchte.....

Aber wie schon drüben geschrieben...... es taugt nicht mal für einen guten AP......

standard

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@Wolfi: versuche Dir einfach mal folgendes vorzustellen -
Du bist jung verheiratet, 1-2 Göhren sind auch schon da...und: Du mußt in einer Uraltbauwohnung in der (nur noch ehemals) schönen Altstadt hausen - Ofenheizung, kein Bad, Toilette bestenfalls ´ne halbe Treppe tiefer, wahrscheinlicher über den Hof...
Und dann bekommst Du die Möglichkeit, in eine der heute so verschmähten (damals noch neuen und sehr modernen) Plattenbauwohnungen einzuziehen - für die doppelte Miete zwar (also ca. 80 statt 40 Ostmark), aber MIT Bad, Fernwärme, womöglich sogar mit Fahrstuhl und 3 Zimmern statt 1,5 zuvor. Wofür würdest Du Dich wohl entscheiden? (da ist auch 300-jähriges Fachwerk keine wirkliches Entscheidungskriterium mehr... )
Man muß immer zumindest versuchen, alles im Kontext der jeweiligen Zeit zu sehen.
"Meine ungar. Lebensgefährtin hat gesagt" hilft u.U. auch nicht wirklich viel weiter, will man die DDR (!) - Verhältnisse verstehen...

Daß der Altbau-Kahlschlag (schlimmes Beispiel: Halberstadt - hab´s anno 88/89 selbst gesehen vor Ort) oft ein fürchterlicher Frevel war, ist dabei unbestritten. Aber auch hier muiß man sehen, was sich nach dem 2. WK wo und wie entwickelt hat/entwickeln konnte.

[Bearbeitet von standard (24-08-2009 - 22:48)]

trabi

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@ moss woher sollte er auch die möglichkeit haben überhaut irgendwas vom "wahheitsgehalt der wirklichkeit" abzuschätzen? seine partnerin hat nen schwaben geheiratet und er ist nach ungarn gezogen.. ok.. ein so großer "interkultureller sprung" will wohl bedacht sein (wenn ich mir überlege das pommern und mecklenburger schon so ihre probleme haben) ich denke mal, dass ich vermute, wer da was bezwecken wollte.. aber das tut nichts zur sache... aber du hast letzt endlich auch schon alles gesagt. beruhigt bin ic nur das ab und an vorurteile zum glück doch bestätigt werden, ansonsten müsste man sich ja für völlig dusselig halten
das moss

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Ich bin gern nochmal willens, kurz zu umreißen, warum eine Plattenbauwohnung eher als positives "Statussymbol" gesehen wurde.

Dazu muß man auch etwas weiter ausholen. Als Anfang der 60er der "Pillenknick" begann, die demografische Entwicklung im Westen nachhaltig zu beeinflussen gab es mit etwas Verzögerung diesen Trend im Osten auch.

Nur: während die Reproduktionszahlen seitdem im Westen rückläufig sind (muß eine extrem kinderfreundliche Umgebung sein, mit dieser ausgesprochenen Kinderfreundlichkeit darf ich mich jetzt als BRD-Bürger genauso herumschlagen...) gab es nach einem entsprechenden "Gegensteuerprogramm" in Form von Krediten, Kindergärten etc. im Osten wieder eine massiv wachsende Reproduktionskurve.
Und wenn man nach dem Krieg mit den entsprechenden "Stalinbauten" zwar dekorativen und protzigen (aber ncihtsdestotrotz unökonomischen) Wohnraum schuf, machte die Bevölkerungsentwicklung massive Neubauprogramme notwendig (häufig auch in der Nähe der entsprechenden Großbetriebe um den ÖPNV effizient betreiben zu können (wo man nicht vergessen darf, das dieser im Gegensatz zum Westen keinen Gewinn einfahren sollte und mußte, sondern aus VWL-Sicht ein zu minimierender Kostenfaktor war)).

Und wie gesagt, aus Material-, Bau- und Energieökonomischer Sicht gibt es nachwievor nix besseres, sicherlich macht ein fesches Einfamilienhaus mit unbelastetem Rang im Grundbuch fürs Ego hübsch was her, aber woher das Material kommen soll, das wußte keiner.
Und wenn ich mir überlege, was meine Eltern (+ etliche andere auch) für ihre AWG-Stunden an Kabelgräben gezogen haben....... und wer damals einziehen durfte hat zwar über die meist jahrelang unfertigen Außenanlagen und die teilweise schon zu Ostzeiten angespannte Parkplatzsituation gemäkelt, war aber letztenendes recht froh dort zu wohnen. Ich wäre früher lieber nach Marzahn als auf den Prenzlberg gezogen.......
Davon abgesehen war die Selbstdisziplinierung der Wohngemeinschaften groß genug, das selbst Schichtarbeiter halbwegs in Ruhe über die Runden kamen.....

Wenn ich mir das alles heute so ansehen, fühle ich mich immer irgendwie in die Sozialbauplanung der 70er Jahre in der BRD versetzt, wo mehr oder weniger eine Ghettoisierung entsprechnder Werktätiger (häufig mit Migrationshintergrund) herbeigeführt wurde deren Früchte wie Masenarbeitslosikeit, Sozialhilfe in 3. Generation, Drogenprobleme, Kriminalitätsanstieg etc. mittlerweile eben auch symptomatisch für viele ehemalige Neubaugebiete im Osten geworden sind.
Und unter diesen Gesichtspunkten würde ich dort auch nicht mehr hinziehen wollen...... ganz im Gegensatz zu früher......

Und genau das zu verstehen überfordert schon viele ach so weltoffene, unvoreingenommene Kosmopoliten aus dem Westen.....

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